In diesem Artikel gebe ich einen Überblick über die Kategorien von BPMN-Modellierungstools und verrate nützliche Tipps bei der Toolauswahl. Mit diesem systematisches und klares Vorgehen gelingt der Weg zur geeigneten Businesslösung.
Arten von Tools
Bei BPM-Tools wird zwischen BPMA- und BPMS-Tools unterschieden. BPMA steht für Business Process Modeling and Analysis. Es geht dabei darum die Prozesse im Unternehmen zu dokumentieren, auf Schwachstellen zu untersuchen (z.B. Flaschenhälse mittels Simulation) und Prozessverbesserungen zu entwerfen. BPMS bedeutet Business-Process-Management-System und meint die Unterstützung der Geschäftsprozesse mittels IT. Hierbei kommt eine sog. Prozessengine zum Einsatz, welche wie ein Dirigent die Prozesse steuert und auch Webservices aufrufen kann, was zu einer serviceorientierten Architektur (SOA) führt. Im Zuge der Weiterentwicklung der Lösungen und der einzelnen Hersteller, werden BPMA und BPMS in einer Suite integriert, um den gesamten Lifecyle bei BPMN abdecken zu können.
BPMN 2.0 verringert die Lücke
Der Vorteil von BPMN gegenüber anderer Prozessnotation ist, dass diese in der Version 2.0 sowohl von einem Menschen visuell erfasst als auch von einer Maschine über die dahinter liegende XML-Struktur eingelesen werden kann. Damit wird der Gap zwischen Business (Process-Analyst) und IT (Process Engineer) sehr stark reduziert, wobei immer noch eine Lücke bleibt, die zwischen Businessprozessmodellen und Ausführungsprozessmodellen (execution layer) liegt. Auch ein Techniker kann bei zweiterem mit der grafischen Notation die technische Ausführbarkeit auf einer Prozessengine erreichen und es muss nicht so viel Quellcode geschrieben werden. Auf einen Entwickler wird man jedoch nie ganz verzichten können, da dieser u.a. auch die Webservices entwickeln und an das technische Prozessmodell anbinden muss. Der zuvor für die Ausführung von BPMN genutzte BPEL-Standard (Busines Process Execution Language) gehört damit schon heute der Vergangenheit an, da er überflüssig und schwer zu lesen ist.
Kriterien bei der Auswahl eines Tools
Bei der Vielzahl der heutigen Anbieter für BPM-Lösungen fällt es schwer, die richtige BPM-Lösung zu finden. Folgende Punkte sollten bei einer gründlichen Evaluierung berücksichtig werden.
Standards bevorzugen, um vom Anbieter unabhängig zu sein
Man möchte meinen, dass heute der BPMN 2.0 Standard bei allen Anbietern zu 100% umgesetzt ist. Dies ist nach meinen praktischen Erfahrungen leider nicht der Fall. Gerade bei der Ausführung von Prozessmodellen auf einer Prozessengine sind Restriktionen (= Empfehlungen) der Anbieter zu beachten. Insbesondere wenn es um das Tuning zur Steigerung der Performance geht, merkt man, welche geheimen Features bei den Herstellern eingebaut sind, die ohne Garantie benutzt werden können. Dabei kann jedoch alles auch viel schlechter werden (also immer gut testen!). Hier hilft nur eine intensive Evaluation von realen Prozessmodellen im Unternehmen von der fachlichen Modellierung bis hin zur Ausführung, um zu ermitteln, ob die Modellierungspattern im Tool/ der Engine anwendbar sind.
Es gibt keine Software auf Knopfdruck!
Leider gab es in den Anfängen von prozessorientierter Software Anbieter, die ihren potentiellen Kunden dieses Wunder versuchten zu verkaufen. Dem ist mitnichten so, was dazu geführt hat, dass der anfängliche gute Ruf von Realisierung mittels BPM/SOA im Management in Mitleidenschaft gezogen wurde! Das Wunder ist fast nur unter speziellen Voraussetzungen und mit einem hohen Preis möglich. Der Preis ist, dass man sich in die Abhängigkeit von proprietären Lösungen der Toolhersteller begibt, aus denen man nicht mehr herauskommt und das IT-Projekt zu einer Kostenfalle werden lässt (zumindest langfristig!). Die speziellen Voraussetzungen sind, dass man einfache Prozesse (z.B. der Urlaubsantragsprozess) automatisieren möchte. Das ist jedoch ehr die Ausnahme in komplexen Unternehmen.
Es ist herauszustellen: Mit BPM/SOA kann die Fachseite nicht auf erfahrene Entwickler verzichten. Der Sinn dieser Technik war vielmehr, durch Standards (alle verstehen das gleiche) das Alignment zwischen Business und IT herzustellen, sodass die Fachseite die IT nicht als Belastung sondern als Unterstützung wahrnimmt.
mehrere Softwarestacks selbst über einen längeren Zeitraum testen
Probieren geht bekanntlich über studieren. So ist es natürlich auch bei der Auswahl von BPMA- und BPMS-Tools. Man wählt einen unkritischen Prozess im Unternehmen, an dem möglichst viele Kriterien der Tools, die für die spätere Entscheidung wichtig sind, evaluiert werden können. Bei BPMN/SOA handelt es sich langfristig gesehen um kritische Bereiche eines Unternehmen, da Prozesse mehr und mehr automatisiert werden und damit das Unternehmen durchdringen. Es empfiehlt sich daher neben einer Realisierung unter Anwendung von allgemeingültigen Standards auch das Wissen dazu in der eigenen IT-Abteilung aufzubauen. Ein Ziel von BPM/SOA ist ja, dass ein Prozess agil über grafische Tools um modelliert werden kann. Dies sollte just in time von der eigenen Entwicklungsabteilung leistbar sein. Weiterhin sind die eigenen Angestellten eine unabhängige Informationsquelle bzgl. der Eignung eines Produkts (Leistungsfähigkeit, Benutzerfreundlichkeit, etc.), da diese praktische Erfahrungen sammeln konnten und sich kaum eine Software ins Haus holen werden, die unpraktikabel in der Anwendung ist (gut ausgebildetes IT-Personal ist bekanntlich Mangelware und muss teuer eingekauft werden).
Know-How aufbauen und Mitarbeiter sensibilisieren
Es bringt nichts, wenn man sich als Unternehmen einen ESB und eine teure BPM-Suite anschafft und keiner da ist, der die Funktionalitäten vollständig nutzen kann. Von der Prozesserfassung bis zur Auführung muss im Unternehmen eine Transformation zum Denken in der Prozesswelt geschafft werden. Der Erfolg dieser Systeme wird auf den Menschen aufgebaut, die im Entwicklungsprozess beteiligt sind. So werden bereich in der fachlichen Modellierung gute Ergebnisse erzielt, die mit weniger Aufwand für die Automatisierung angereichert werden müssen.
Einsatzzweck festlegen
Für was nutzen Sie die Software im Unternehmen. Gerade in kleinen Unternehmen muss ressourcenbewusst gewirtschaftet werden. Daher muss man sich genau überlegen, wo man langfristig mit dieser Software hin möchte. Will man diese schrittweise im gesamten Unternehmen etablieren, lohnt sich oft schon Open-Source-Lösungen, bei denen die anfänglichen Investitionen für die Schulung der Realisierer höher sind, jedoch geringere Lizenzkosten zu erwarten sind. Hier hilft nur mit den Beteiligten sprechen, Anforderungen sammeln und diese für eine Entscheidung priorisieren. So werden alle ins Boot geholt.
Viel Erfolg dabei!