Die letzten Artikel dieser Serie haben sich nur mit der externen und internen Softwarequalität beschäftigt. Nun möchte ich auch die in Teil 2 vorgestellte Nutzungsqualität mit Ihnen genauer betrachten.
Überblick über die Nutzungsqualität
Definitionen der Nutzungsqualität
Die Nutzungsqualität der Software beschreibt die Gebrauchstauglichkeit der Software in einem hochwertigen Nutzungskontext. Ein hochwertiger Nutzungskontext umfasst eine gesunde, sichere und angemessene Arbeitsgestaltung sowie aktivierende soziale Beziehungen und Strukturen. Ein hochwertiger Nutzungskontext ermöglicht es dem Benutzer, die Arbeitsaufgaben mit der Software motiviert und in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu bewältigen.
Quelle: http://www.vbg.de/apl/zh/z503/2.htm
Die Nutzungsqualität reflektiert die Sicht eines konkreten Nutzers auf die Software. Sie ist ein Maß für die Fähigkeit des Produktes, den Nutzer bei seinen Zielen zu unterstützen. Im Unterschied zur externen Qualität stehen Merkmale in spezifischem Nutzungskontext und spezieller Umgebung und nicht die generellen Merkmale der Software im Fokus.
Wie stehen interne Qualität, externe Qualität und Nutzungsqualität in Zusammenhang?
Die unten stehende Grafik aus ISO/IEC 9126-1 stellt die Beziehungen zwischen der internen Qualität, der externen Qualität und der Nutzungsqualität dar. Demnach beeinflussen die Merkmale der internen Qualität die externen Qualitätsmerkmale. Diese wiederum beeinflussen die Merkmale der Nutzungsqualität. Weiterhin hängt die Nutzungsqualität von der externen Qualität ab. Die externe Qualität wiederum ist abhängig von der internen Qualität.
Die Qualität des Softwareprodukts und die Qualität bei der Nutzung baut auf der Prozessqualität auf. Die Prozesse im Unternehmen, die vor Beginn der Programmierung z.B. in der Modellierungsnotation BPMN oder EPK modelliert werden, müssen nämlich von guter Qualität sein. Dies wiederum kann ein Prozessanalyst (Process Analyst) beurteilen und ggf. optimieren. Wie so etwas für den Bereich BPMN 2.0 funktioniert, kann gut im „Praxishandbuch BPMN 2.0“ von Jakob Freud und Bernd Rücker von Camunda nachgelesen werden.
Wie beurteilt man die Nutzungsqualität?
Um die Nutzungsqualität bei einer Software beurteilen zu können, sollten folgende Leitfragen bei der Evaluierung beantwortet werden:
a) Ist die Gebrauchstauglichkeit der Software in einem ergonomischen Nutzungskontext gegeben?
Der Nutzungskontext beinhaltet die Benutzer, deren Ziele und Aufgaben, die Ausrüstung am Arbeitsplatz sowie die physische und soziale Umgebung, in der das Softwaresystem genutzt wird. Der Begriff Nutzungskontext erweitert damit die reinen Softwareeigenschaften (externe und interne Qualitätsmerkmale) um die Sichtweise auf die konkrete Nutzung innerhalb der Geschäftsprozesse im Unternehmen oder der Behörde.
Quelle: http://www.vbg.de/apl/zh/z503/2.htm
Im Teil 11 der ISO 9241 werden drei Leitkriterien für die Gebrauchstauglichkeit einer Software bestimmt:
- Effektivität zur Lösung einer Aufgabe,
- Effizienz der Handhabung des Systems,
- Zufriedenheit der Nutzer einer Software
Effektivität und Effizienz werden in EN ISO 9241 Teile 11-17 und 110 weiter spezifiziert (Software-Ergonomie).
b) Liegt ein hochwertiger Nutzungskontext mit aktivierenden sozialen Beziehungen und Strukturen vor (zum Beispiel Art der Zusammenarbeit, Kommunikationswege, Führungsstil)?
Die Dimensionen der Nutzungsqualität
Wie die obige Grafik veranschaulicht, unterteilt sich die Nutzungsqualität in fünf Teilaspekte.
Effektivität
Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen.
Genau ist eine Software, wenn sie die Funktionen erfüllt, die der Qualität der Arbeitsaufgaben entsprechen (z.B. wenn die berechneten Einfuhrabgaben korrekt auf dem Steuerbescheid stehen). Die Software tut das Richtige. Vollständig ist eine Software, wenn sie alle Funktionen anbietet, die erforderlich sind, um die jeweilige Arbeitsaufgabe zu erledigen (z.B. wenn es im Programm keinen Report gibt, über den der Steuerbescheid ausgedruckt werde kann, ist dieses unvollständig).
Effizienz (bzw. Produktivität)
Ressourcenschonende Vorgehensweise mit der ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann.
Unter Effizienz versteht man das Verhältnis von Genauigkeit und Vollständigkeit zum Aufwand (psychische oder körperliche Belastungen, Zeit, Material oder Kosten), mit dem ein Benutzer ein bestimmtes Ziel erreicht.
Negative Beispiele für Effizienz sind:
- Software, bei der man zum Aktivieren der gewünschten Funktionalität erst unzählige Menüs durchklicken muss, um zu dieser zu gelangen.
- Es gibt nur einen ganz bestimmten Weg eine Funktionalität im Programm auszuwählen. Dieser ist jedoch im gewünschten Nutzungskontext zu umständlich und zeitaufwändig.
Sicherheit
Fähigkeit des Softwareprodukts, akzeptable Risikoniveaus bezogen auf Schäden an Menschen, Geschäften, Besitz oder Umgebung in festgelegten Nutzungskontexten bereitzustellen.
Zufriedenheit
Fähigkeit des Softwareprodukts, den Benutzer in einem festgelegten Nutzungskontext zufrieden zu stellen.
Hierunter versteht man eine möglichst beeinträchtigungsfreie Nutzung der Software sowie die subjektive Zufriedenheit des Benutzers bei der Arbeit mit der Software. Dazu gehört beispielsweise, dass ein Nutzer mit der Software sicher, gesund und angemessen arbeitet, weil sie einfach zu bedienen ist, er alle Funktionen einfach verwenden kann und sie eine zeitsparende Hilfe für seine Arbeit ist.
Qualität der sozialen Beziehungen und Strukturen
Die Qualität der sozialen Beziehungen und Strukturen entscheidet darüber, ob die Beschäftigten beim Arbeiten mit der Software nur „Dienst nach Vorschrift“ machen oder ob sie stattdessen aktiv und motiviert in einem ständigen Verbesserungsprozessdie Arbeitsaufgaben mit Softwareunterstützung erledigen.
Grundlage hierfür ist z.B.
- ein kooperativer Führungsstil,
- eine vertrauensvolle Zusammenarbeit,
- eine intensive und offene Kommunikation,
- eine umfassenden Information über die Arbeitsaufgabe,
- eine Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung der Arbeitsprozesse (Ideenmanagement)